Sozialraumanalysen werden heute als Instrument zur Vergleichbarkeit von ausgewählten Stadteilen mithilfe statistischer Messdaten genutzt, um soziale Gruppen, Unterversorgung, Ressourcen, Potentiale, bürgerliches Engagement und soziale Netzwerke zu untersuchen. Sie dienen der Einordnung von Dringlichkeiten, Hilfsbedarf und der Weiterentwicklung des Sozialraumes. Im Wesentlichen sind sie die Grundlage für die Erstellung von sozialen, gesundheits- und bildungsbezogenen Konzepten zur Entwicklung neuer Angebote oder Dienstleistungen im sozialen Raum.

Eine solche Sozialraumanalyse hat die Justus-Liebig-Universität Gießen in Kooperation mit der Diakoniestation Idsteiner Land GmbH und dem Diakonischen Werk Rheingau-Taunus ausgearbeitet.

Idstein und seine Ortsteile gelten als regionales Mittelzentrum Hessens. Mit einer Einwohnerzahl von 27.653 stellt Idstein mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Idsteiner Land. Obwohl sich die Altersstruktur, wie allgemein im Trend, stark verändert, wird Idstein bis 2030 um 6,5 % wachsen.

Entwicklung der Bevölkerung

2018

2030

Bevölkerungswachstum

./.

6,5 %

Anteil 60-80 Jährige

17 %

27 %

Anteil > 80 Jährige

3 %

9 %

 

Fast 92 % der Befragten über 60 Jahre leben allein (45 %) oder mit Partner (47 %). Nur 8 % der Befragten leben derzeit bei Angehörigen. Mehr als die Hälfte (57,9 %) können ihren Alltag allein bewältigen. Jedoch greifen viele der Befragten auf Angehörige zurück, wenn Hilfe notwendig ist. Die meisten Hilfeleistungen sind im Haushalt, im Garten und Fahrdienste zum Arzt oder Einkauf. Nachbarschaftliche Hilfe wird dagegen nur im geringen Maße genutzt, obwohl 97 % ihre Nachbarn kennen.

Die Befragung älterer Mitbürger*innen ergab, dass die meisten davon ausgehen, im hohen Alter in den derzeitigen vier Wänden wohnen bleiben zu können, obwohl circa ein Drittel der Wohnungen nicht barrierefrei ist. Meistens sind es Stufen oder Treppen, die den Wohnalltag beschwerlich machen. Einen Umzug in ein Seniorenheim oder Mehrgenerationshaus konnten sich die meisten vorstellen. Die wenigsten Befragten wollten zu Angehörigen ziehen.

Hilfeleistungen im Idsteiner Land

Idstein

Hünstetten

Waldems

Selbst aktiv in der Nachbarschaft

16 %

16 %

10 %

Hilfe von Nachbarn

9,1 %

7,1 %

11,7 %

Hilfe von Angehörigen

37 %

41,2 %

43,6 %

 

Derzeitige und mögliche zukünftige Wohnsituation im Alter

Idstein

Hünstetten

Waldems

Wohnen in derzeitiger Wohnung im Alter

74 %

80 %

91 %

Derzeit barrierefreie Wohnungen

32 %

34 %

24 %

Umzug Seniorenheim

32 %

25 %

25 %

Umzug Mehrgenerationshaus

16 %

11 %

14 %

Umzug Angehörige

9 %

16 %

23 %

Umzug altersgerechtes Wohnen

35 %

33 %

22 %

Ein großes Thema ist die Hilfs- und Pflegebedürftigkeit, welches von vielen Befragten stark vernachlässigt wird. Erst im Notfall wird das Thema angegangen. Viele Akteure auf dem Gebiet der Alltagsbegleitung und Pflege können im Idsteiner Land in Anspruch genommen werden. Informationen dazu finden sich im Internet oder es gibt sie in Form von Flyern und Broschüren. Die meisten Informationen werden über persönliche Gespräche vor Ort weitergegeben. Am häufigsten nutzen die Befragten die Idsteiner Zeitung, den Bad Camberger Anzeiger oder das Mittteilungsblatt der Gemeinde Hünstetten „Hünstetter Nachrichten“.

Die Angebote der Gemeinden für ältere Bürger*innen sind den meisten bekannt, aber nur 10 % von ihnen nutzen diese auch. Trotzdem werden Begegnungsräume und soziale Anbindungen vermisst. Besonders aus den ländlichen Regionen wird eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanbindung gewünscht.

Das am bestbekannteste und meist genutzte Angebot für Hilfeleistung ist die Diakoniestation Idsteiner Land und der Hausnotruf. Technische Hilfsmittel werden aber weniger genutzt als die persönliche Hilfe.

In den kommenden Jahren werden durch die Alterung der Bevölkerung und der schwindenden Zahl von Ehrenamtlichen (kein oder nur geringer Nachwuchs im Ehrenamt) im Bereich der Angebote für Senioren technische Hilfsmittel immer wichtiger. Der erweiterte Notruf könnte so ein wichtiges Instrument für Angehörige und ältere Bürger*innen sein. Mit Hilfe einer App auf dem Smartphone und installierten fast unsichtbaren Sensoren in der Wohnung können Informationen über Gefahren- oder Notsituationen mitgeteilt werden. Eigenständiges Leben in den eigenen vier Wänden ist für längere Zeit möglich, da hier je nach Wunsch Pflegedienste oder Angehörige ein zusätzliches Instrument der Kommunikation haben.

Nach einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom würden sich 62 % der Befragten Assistenzsysteme zur Sturzerkennung anschaffen, allerdings haben 57 % Bedenken aufgrund des Schutzes und der Sicherheit der Daten. Wenn diese Unsicherheit beseitigt ist, kann man davon ausgehen, dass Assistenzsysteme im privaten Bereich eine große Hilfestellung für Angehörige und Hilfesuchende sein können.

Ute Schmidt

Quelle: Sozialraumanalyse für die Stadt Idstein sowie die Gemeinden Hünstetten und Waldems, Oktober 2018, Gießen